Gemeinsam mit einer Gruppe aus dem Ortsverband Bündnis 90 / Die Grünen machte sich Jürgen Blümer auf dem Weg zum Sonntagsspaziergang am Hambacher Forst. Ziel seines Sonntagsausflugs war es, einen Baum als Zeichen des Protests in den Wald zu pflanzen, der für die Braunkohle abgeholzt werden soll. Das Problem – zwischen dem Wald und dem Bahnhof Buir warteten 2000 Polizisten. Hier sein Bericht.
Bereits auf dem Hinweg füllte sich ab Wuppertal der Zug. Über Twitter gingen die ersten Meldungen ein, aus welchen Teilen Deutschlands sich unterschiedlichste Gruppen zu der Kundgebung nach Buir am Hambacher Forst auf den Weg machten. Und spätestens am Bahnhof in der Nähe des Braunkohle-Tagebaus war klar: Es würden diesmal viele Menschen werden, die ein Zeichen gegen Braunkohleverstromung und für den Schutz des Klimas setzen würden. Am Ende des Tages werden die Schätzungen zwischen 3500 und 7000 Kundgebungsteilnehmern liegen.
Rasch war auch klar, dass die Polizei mit diesem Ansturm an Menschen nicht gerechnet hat. In dem weitläufigen Gelände teilten sich die Menge je nach Engagement und Interesse in BaumpflanzerInnen, WaldstürmerInnen und SpaziergängerInnen auf. Die Straßen um den Hambacher Forst waren bereits um 12 Uhr verstopft mit geparkten Autos, Polizeifahrzeugen und VeranstaltungsteilnehmerInnen. Zu dem Zeitpunkt hatte sich der große Demonstrationszug jedoch noch nicht einmal auf den Weg gemacht. Die Situation ist mit ‘unübersichtlich’ nur beschönigend beschrieben,
Und noch standen Polizeisperren rund um den Wald. Für die Menschen, die Bäume einpflanzen wollten, gab es für ihr Vorhaben noch kein Durchkommen. An den Sperren kam es immer wieder zu Räumungsaufrufen und Platzverweisen. Die Polizei versuchte bis 14 Uhr, die Aktivistinnen immer wieder, auf die Straßen und Feldwege zurück zu drängen.
Dann traf die Spitze der Sonntags-Spaziergänger ein, die sich am Buirer Bahnhof gesammelt hatten und nun die Äcker und Wiesen mit Menschen auffüllten. Immer wieder musste die Polizei neue Kräfte heran holen, um die größer werdenden Lücken zu schließen. Zu diesem Zeitpunkt gelang es, in einem unbewachten Waldstück am Forst, den Baum aus Drensteinfurt einzugraben und von dem neuen Zuhause des Buchen-Schößling ein Foto zu machen, ehe auch dieser Teil des Hambacher Forstes durch die Polizei von AktivistInnen geräumt wurde.
Inzwischen hatten die rund 3000 TeilnehmerInnen des Waldspaziergangs einen Kundgebungsplatz in der Nähe der letzten Polizeikette vor dem Forst erreicht. Der letzte Redner an diesem Zwischenstopp rief die Menschen auf, jetzt ihren Mut zusammen zunehmen und in den Wald zu gehen. “Wir verteidigen hier auch die wehrhafte Demokratie, wenn wir unser Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen. Niemand kann uns daran hindern, in diesem Wald spazieren zu gehen!” Daraufhin lösten sich mehrere Hundert Menschen aus dem Zug der Waldspaziergänger, ging in einer weiten Reihe auf die Polizeikette zu, die noch einige Versuche unternahm, Menschen aufzuhalten, dann aber für mehrere Minuten den Weg vollkommen freigab.
In dieser Zeit gelang es über 500 AktivistInnen, in den Wald einzudringen bis zu den Baumhütten, an denen die Räumungsgeräte von weiteren Polizeieinheiten bewacht wurden. Im Hambacher Forst beschränkte sich die Polizei darauf, das schwere Abbruchgerät und die Trümmer der Baumhäuser zu bewachen. Nach und nach zogen die AktivistInnen von Hütte zu Hütte, bedankten sich bei den BewohnerInnen lautstark für Ihren Widerstand (“Ihr seid Helden!”) und riefen ihnen Mut zu (“Hambi bleibt”). Über Megafone riefen die Gruppenleiter der AktivistInnen immer wieder dazu auf, gewaltfrei zu handeln, sich nicht von der Polizei provozieren zu lassen und auf keinen Fall in hektische Aktionen zu verfallen. An der Hütte “Cozytown” nah an der Kante zum Tagebau-Loch gelang es sogar, die Polizei aus dem Wald auf den Weg zurück zu drängen. Das Baummaterial von zerstörten Hütten wurde von den AktivistInnen zu neuen Barrikaden aufgetürmt.
Der Rückweg aus dem Wald zu Bahnhof verlief angenehm. Die PolizistInnen in Forst grüßten freundlich und scherzten mit den AktivistInnen. Besonders in Erinnerung geblieben ist eine Beamtin aus Baden-Württemberg, die an einem Transportwagen lehnend mit Zigarette in der Hand den kürzesten Weg zurück nach Buir erklärte im breitesten Akzent und zum Abschluss einen ‘schönen Nachmittag’ wünschte. Auch die Sicherungskette der Polizei vor dem Wald machte keine Anstalten einer Personenkontrolle und ließ alle AktivistInnen, die aus dem Wald zurück kehrten, unbeachtet passieren.
Inzwischen hatte sich gegen 16:30 die Situation für die Polizei derart verschärft, dass angesichts der großen Menschenmenge zusätzlich Kräfte herangefahren werden mussten. Spontan blockierten rund 50 AktivistInnen die Straße vor den Transportern der Einsatzkräfte. Die Beamten riefen drei mal zur Räumung auf, ließen dann aber die Aktivistinnen gewähren. Die Zahlreichen Kameras der Presse, die zu diesem Zeitpunkt die Blockade umlagerten, hat wohl dazu beigetragen, dass die Kolonne der Polizei letztendlich umkehren musste. Bilder von handgreiflichen Polizisten gegen Jugendliche und Kinder, die mit auf der Straße saßen, kann sich auch eine CDU-geführte Landesregierung nicht leisten.
Nach einer Stunde bestand diese Blockade nur noch aus einer Reihe nicht eingepflanzter Bäume. Auf dem Rückweg zum Bahnhof war bemerkenswert, dass immer noch Menschen auf dem Weg zum Hambacher Forst waren. Es ist davon auszugehen, dass über den ganzen Nachmittag verteilt über 10.000 Menschen vor Ort waren, um sich für den Klimaschutz und gegen den Braunkohletagebau einzusetzen.
Dieser Tag, der 16.09.2018 macht Mut. Und es erscheint auch nicht mehr so entscheidend, ob und wann die Polizei das letzte Baumhaus geräumt hat. Klar ist jetzt bereits, dass der Widerstand gegen die Zerstörung der Schöpfung in Deutschland eine neue Stufe erreicht hat. Menschen aus allen Bevölkerungsteilen setzen sich ein, den Irrsinn der fossilen Energie zu stoppen. Die Politik wird reagieren müssen – wenn es uns allen gelingt, den Druck weiter aufrecht zu erhalten.
Noch sind nur die BewohnerInnen der Baumhäuser HeldInnen. Gelingt es aber, den Ausstieg aus der Kohle rasch umzusetzen, wird diese Generation von AktivistInnen dies als ihren Erfolg verbuchen können. Dann sind wir alle HeldInnen – für unsere Kinder und Enkelkinder.
Jürgen vor der Anpflanzung
Jürgen nach erfolgreicher Anpflanzung
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